Sonntag, Oktober 29, 2006

Herbst-Stimmungen

auf besonderern wunsch, besser hab ich es nicht hinbekommen, ich bin ja nicht michael eggert ; -)



Ruth war heute im Wald spazieren: sie hat die Bäume angeschaut, einige Blätter gesammelt, sie fotografiert und ich möchte ein Gedicht von Rudolf Steiner, das ich kürzlich in GA 281 las, hinzufügen:

Herbst

Der Erdenleib,
Der Geist-ersehnende,
Er lebt im Welken.

Die Samengeister,
Die Stoffgedrängten,
Erkraften sich.

Und Wärmefrüchte
Aus Raumesweiten
Durchkraften Erdensein.

Und Erdensinne,
Die Tiefenseher,
Sie schauen Künft'ges
Im Formenschaffen.

Die Raumesgeister,
Die ewig-atmenden,
Sie blicken ruhevoll
Ins Erdenweben.

Sonntag, Oktober 22, 2006

exerzitien am sonntag oder mozart sezieren




klassische musik, sogenannte e-musik hören, gehört nun überhaupt nicht zu den beschäftigungen denen ich meine zeit widmen würde, klar, als kind des chanchengleichheits jahrzehts den 70ern, wie auch. nun ergab es sich gestern abend, das ich mir ein philharmonisches konzert anhören ging, sehr ermuntert dazu von philippe, meinem gatten, der seit etwa 12 jahren darunter leidet, dass ich auf dem musikalischen ohr eben seiner meinung nach taub wäre. dass ich musik _sehe_ hat er noch nicht recht verstanden, aber das ist ein anderes thema. es wurde die c-moll messe von mozart gespielt, in der vollbesetzten liebfrauenkirche hier bei uns in duisburg. es war herrlich. ich genoss die musik, die eben life gespielt wurde, was sowieso immer ein genuss ist. es war das 2. oder 3. klassische konzert meines gesamten lebens, so, nun ist´s raus und das erste das mich aufgestellt hat. ich fuhr mit dem fahrrad nach hause und war noch ganz umgeben von dem "klangkörper" mozart und innerlicherseits tönten einzelne figuren und phrasen nach, erzeugten resonanz auf meinen stimmbändern kurz, trällernd radelte ich vor mich hin. daheim angekommen traf ich "zufällig" phil, der gerade auf dem weg in sein musikatelier war um noch ein wenig zu üben. "und - wie war`s" frug er mich. "herrlich" entgegnete ich ihm. einigermassen erstaunt fragte er nach: "ah ja, die c-moll - wie geht die schon wieder" und angestengtes nachdenken war auf seinem gesicht zu lesen. ich sang ihm ein stück und der ausdruck von glückseligkeit trat auf seine mine. ich, seine frau, erinnerte mozart und zudem noch richtig intoniert. unser glück war für einen augenblick lang vollkommen.

heute morgen dann holte ich aus der schatzkammer seiner schallplattensammlung mozarts jupiter-symphonie hervor, berliner symphoniker dirigiert von karajan, die gab es dann, sehr zu seinem verwundern zum frühstück. wir hörten alle vier (eigentlich nur drei) sätze, aber keineswegs schweigend. phil erläuterte mir die sonatensatzform, wies auf die fehlende wiederholung der exposition hin, deutete auf das erste seitenthema, erläuterte die durchführung usw. usf. vor allem lauschte ich phil, der musik weniger. phil erötere mir, dass karajan eine schlaftablette sei, viel zu langsam wäre und die wiederholung der exposition wahrscheinlich deshalb weglies, weil bei karajans tempo "jupiter" nicht auf eine schallplattenseite passte. ganz in seinem element, mit mir als aufmerksame zuhörerin, bedeutete er mir geduldig zu bleiben, verschwand in seiner schatzkammer und holte noch zweimal "jupiter" hervor. wir hörten wieder vier sätze ( diesmal tatsächlich), jetzt karl böhm mit den berlinern, welch unterschied zu karajan! den ich zwischen den erläuterungen von phil vernehmen konnte. da war sie, die wiederholung im 1. satz, ich hatte gelernt wir reden von der exposition, 3. satz die durchführung, phil sprach über die zeitgenossenschaft und das gegenspielertum von böhm und karajan, die reprise noch, neuerlicher hinweis auf böhms kraftvollen duktus, wiederholung der sonatensatz form und schweigend hörten wir gemeinsam den letzen ton von "jupiter" verklingen. nächste schallplatte. bruno walter dirigiert mozarts jupi mit den chicagoer symphonikern. stille - nur klang - ohne unterbruch der 1.satz. liebe leute, wer ist böhm, wer karajan verglichen mit walter - reinster schlendrian! jetzt sah ich sie wieder die musik und phil erklärte mir, das bruno walter, geboren 1873, noch von der alten schule wäre. hervorragende detailausarbeitung, vollkommene durchdringung jedes tones und damit die formvollendete herausarbeitung des musikalischen inhalts. wir sprachen noch lange über die dirigenten, die zeit in der sie lebten, die schulen die sie besuchten, ihre verschiedenheiten - nur über mozart sprachen wir nicht, mit keinem wort, über seine musik auch nicht.

es gibt offenbar zwei weisen musik zu hören. die eine ist eine analytische, die die musikalischen formen untersucht und im besten fall mit einer gewissen kontextsensibilität die formalen erscheinungen der musik zu unterscheiden und einzuordnen weiß. die andere wäre die, die musik in ihrer eigentliche erscheinung wahrzunehmen, sie seelisch aufzunehmen, die farben und formen als solche wahrzunehmen, zu benennen und zu unterscheiden und ihnen einen bedeutungszusammenhang zu geben unabhängig von der musikwissenschaftlichen sprachebene. zum einen denke ich, dass die erste herangehensweise eine ist, die der naturwissenschaftlichen sezierenden methode nahekommt und einem männlich erfassendem geist näherliegt als die zweite herangehensweise, die ich eher einem weiblichen erfassungsvermögen zuordnen würde. zum anderen, wenn beide herangehensweisen eine ehe eingehen, kann man finden, dass der männliche part darin besteht die äussere form transparent zu machen, um zwar den inhalt zu erfassen, der aber im innern der form im verborgen bleibt. der weibliche part hingegen ist eher der, den inhalt eben innerlicherseits zu erfassen kann ohne seiner äusseren form den vorzug zu geben. als ehepaar ergänzen sich im besten fall beide betrachtungsweise. das seelisch geistige und die äussere erscheinungsform sind die berühmten zwei seiten ein und derselben sache. so verstehe ich im übrigen auch rudolf steiners bemühungen für die gegenwart, es geht ihm auch um die verbindung von naturwissenschaftlicher exaktheit der verallgemeinernden beschreibenden methode der erscheinung und dem ihm innewohnenden geistig seelischem impuls der wahrscheinlich erstmal nur individuell zu erfassen ist. rudolf steiner regt die ausbildung beider fähigkeiten ganz gleichgewichtet an. er fordert dazu auf, das eine und das andere zu vermählen um durch diese verbindung die getrennten - das eine oder das andere, mann oder frau, innerlich oder äusserlich, naturwissenschaftlich oder spinnert - zu versöhnen und einen neuen ausblick zu schaffen.

soviel von meinem diesem sonntag